Mit einem Es-Dur-Akkord, der über himmlische vier Minuten und 136 Takte ausgeführt wird, hebt Wagners «Rheingold» an. In gebrochenen Dreiklängen wogt der Fluss auf und nieder. Harmonisch und melodisch geschieht da fast gar nichts, nur die Instrumentalfarben ändern sich, und die Rheintöchter treten hinzu mit kindlich lallendem Gesang: «Weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege!» Es ist das reinste Naturparadies, das Wagner ausmalt – aber der Sündenfall naht: in Gestalt des Nibelungen Alberich, der das Rheingold raubt und der heilen Welt ihren Bodenschatz entreisst. Das Ganze geht bekanntlich böse aus, es endet im vierten Teil der «Nibelungen»-Tetralogie mit der brennenden Götterburg Walhall und dem Untergang der bestehenden Gesellschaftsordnung. Das Rheingold lässt sich als visionärer Öko Thriller deuten, der die Ausbeutung der Natur anprangert, mit allen Konsequenzen. In Kent Naganos Deutung gewinnt das Werk aber auch musikalisch neue Sprengkraft: Er präsentiert es im Originalklang, auf Grundlage einer fundierten Rekonstruktion der Instrumental-, Gesangs-, Sprach- und Bühnenpraxis aus der Wagner-Zeit, die renommierte ExpertInnen erarbeitet haben. Das «Rheingold» erklingt also in historischer Spielweise, so wie Wagner es wohl selbst einst gehört hat.